Ein Tag im Juni

Es ist angenehm heute. Ein ausgiebiges Frühstück wartet an der Ruine unseres Nachtlagers auf uns. Heute steht die Ausreise in die EU an. Wir freuen uns und machen in inzwischen gewohnter Routine die angebrochenen Lebensmittel in der Kühlung leer. Danach geht es an die letzten 55km Russland. Die sind schnell abgespult und erreichen eine Lkw-Schlange kurz vor Ivangorod. Eigentlich wollten wir wegen des günstigen Preises noch tanken, aber die von uns erwählte und letzte Tankstelle vor der Grenze hat geschlossen. Dann eben nicht.

Zunächst fädeln wir uns noch hinter den Lkws ein, doch vorbeiziehende Esten zeigen uns, dass man sehr wohl mit dem Pkw bevorzugt behandelt wird. Also klemmen wir uns dahinter und kommen nach extrem kurzer Kontrolle der Ausweise auf den eigentlichen Kontrollplatz zur Ausreise aus Russland. Erste Haltelinie, warten. Das ist die Zollabfertigung. Wie bei der Einreise angegeben führen wir unseren Frosch ja auch wieder aus. Der Stempel auf dem Formular der Einreisestelle ist nicht vollständig vorhanden, das ruft ein wenig hektische Betriebsamkeit jenseits der Glasscheibe hervor. Aber man lässt uns passieren. Nun bis zur nächsten Haltelinie vorfahren und wieder aussteigen. Das nächste Wärterhäuschen wartet. Nun kommt die Prozedur zur persönlichen Ausreise. Einzeln werden die Ausweise gescannt und die Meldekarte B eingezogen. Natürlich wird alles immer von Handzeichen und Stempel begleitet. Denn nur wer den Stempel hat, darf Stufe IV erleben. Der Ausweis wird kontrolliert (klar), dann die Aufforderung, alle Türen des Fahrzeugs zu öffnen. Ein wirklicher Schnelldurchlauf einer Kontrolle erfolgt und man wünscht uns gute Fahrt (oder dass wir elendig verenden mögen – war russisch – haben wir nicht verstanden).

Nur vier Kontrollen und es geht am Schlagbaum vorbei aus Russland heraus. Dass wir noch nicht in der EU sind, wissen wir schnell, denn es gibt hier einen duty free – Markt. Gleich dahinter einen vergitterten „Knast“-Gang für Fußgänger, die die Grenze passieren möchten. Wirkt wirklich übel. Wir können kurz bei einer weiteren Kontrolle der Ausweise (Nummer 5) einen Blick auf die extrem große und gut erhaltene Festungsanlage an diesem Grenzübergang erhaschen. Scheinbar sind die beiden Städte Ivangorod und Narva schon seit dem Mittelalter Grenzpunkte.

Was jetzt kommt, ist der krasse Gegensatz zum handbetriebenen Posten von Mütterchen Russland. Vier Wartespuren mit Ampeln und ein Matrixdisplay, dass dir sagt, welche Spur dran ist und zu welchem Grenzwärterhäuschen du vorrücken darfst. Man fährt vor und wird von seinem Grenzer in Empfang genommen. Motor aus, Pässe raus und mal locker flockig wieder alle Türen der Karre auf. Die Blicke sind mehr als flüchtig. Mitkommen, auf das Gitter vor die Glasscheibe stellen und in die Kamera gucken. Ausweise werden gescannt (6). Plötzlich reißt ein Beamter die Glasscheibe auf und schreit einem anderen etwas hinterher. Wir erschrecken fürchterlich, zucken wie wild zusammen und sorgen damit bei den anwesenden Beamten für Erheiterung.

Man wünscht uns auf englisch eine gute Reise und lässt uns unseres Weges ziehen. Schlagbaum hoch und vorrücken zum Tor. Während sich dieses langsam öffnet, kommt mir Marius Müller-Westernhagen mit „Freiheit“ ins Ohr. Mit unglaublicher Glückseligkeit erreichen wir die EU und wissen plötzlich, wie gut es uns doch geht.

Den restlichen Tag vertrödeln wir mit der Anreise zur Location zur zweiten Party. Wir stellen fest, dass die estnische Ostseeküste ein hervorragendes Urlaubsgebiet ist. Ich möchte wiederkommen. In einer größeren Stadt finden wir ein Einkaufszentrum mit Baumarkt Postfiliale, Supermarkt und Subway. Wir lassen es uns gut gehen und füllen unsere Vorräte auf. Ein kleiner Snack darf nicht fehlen. Herrlich, wenn man weiß, was man hat.

Der längste Tag

777 Kilometer an einem Tag. Durch mehrere großartige Landschaften ging es, von Östersund nach Bodø von morgens um sechs bis zum nächsten Tag morgens um eins.

Der Tag begann mit einem Klassiker dieser Veranstaltung. Man soll eine geöffnete Dose Surströming über eine Strecke von 200km transportieren. Jetzt muss man einiges Wissen aufwenden, damit dies nicht in einer olfaktorischen Katastrophe endet. Surströming sind eigentlich Fischleichen. Soll heißen der Fisch wird angegammelt eingetuppert und sich seinem Fermentierungsschcksal überlassen. Wir wurden ja bereits beim Kauf mit Tipps versorgt. Also ließen wir die Dose in der Kühlung und öffneten sie am heutigen Morgen weit ab vom Auto (durch die Faulgase entsteht Druck in der Dose, es könnte spritzen).

Durch eine glückliche Fügung hatten wir die Kühlbox vergessen, in der Nacht auf „aus“ zu stellen,  sodass die Dose mit den Leichenteilen leicht gefrostet war. Es spritzte zum Glück kaum. Schnell noch das Foto mit dem Tachometer machen als Beweis und zack war es passiert. Ein guter Schluck der Pampe landet auf Fahrersitz und Telefon. Alle Putzmittel der Welt können diesen Geruch nicht beseitigen. Ein Fall für den Tatortreiniger….

Es ist schon recht clever vom Veranstalter, diese Aufgabe heute zu machen. Die Klamotten liegen im Auto breit gestreut verteilt und können den Duft gut annehmen. Zudem sind wir nun so weit nördlich, dass wir die Heizung erstmals anmachen. Zur Vorsicht haben wir die offene Dose noch eingetütet. Gerochen hat es, auch wegen des Malheurs beim ersten Foto trotzdem nicht zu knapp.

Nach 218km wurden wir dann auf einem wundervoll gelegenen Parkplatz erlöst. Jetzt schnell das zweite Foto mit dem Tachostand und damit ist die Aufgabe erledigt. Aber jetzt kommt die Kür. Wenn wir schon eine einheimische Delikatesse offen vor uns stehen haben, soll sie auch probiert werden. Und dies sehr zur Freude eines älteren schwedischen Ehepaares, das dem Spektakel beiwohnt. Er mag es nicht wirklich, wie er sagt, und sie findet es abscheulich. Die beiden sind aber begeistert vom Mut. Aber, was soll man sagen? Das Zeug ist gar nicht mal so lecker. Einen großen Bissen nehme ich, die Gräte verfängt sich zwischen den Schneidezähne. Der Geschmack ist anders. Fischfriedhof-Gastronomie in seiner schlechtesten Form.

Die Szene geht aber noch weiter. Als dann auch noch ein weiteres Team die Aufgabe auf eben diesem Parkplatz antritt, kann sich die Schwedin nicht mehr vor Lachen halten. Das Team tritt an in voller Montur. Mundschutz, Handschuhe und der nötige Respekt werden eingesetzt, und mit einer wild spratzenden Dose beim Öffnen belohnt. Ein Riesenspritzer erwischt ebenfalls Smartphone und das andere Teammitglied. Ein herrlicher Anblick, den wir aus sicherer Entfernung nicht nur beobachten, sondern gleich Filmen.

Danach ging es weiter Richtung Norwegen. Mehr dazu in Teil II.

Die erste Nacht

Nachdem wir Dänemark um 20:40 Uhr verlassen haben, waren wir zum Sonnenuntergang auf schwedischer Seite angelangt. Und hier ging die Herausforderung gleich weiter. Gefühlt ist die Strecke von Helsingborg nach Malmö eine durchgehende Autobahn, auf die man von der Fähre kommend auch gleich geleitet wird. Da unsere Karte genau genug war, haben wir uns durch diverse Vororte geschummelt und den Ort unserer ersten Aufgabe angepeilt, Ales Stenar bei Ystad.

Da es langsam dunkel wurde, suchten wir eine Möglichkeit zum wilden Camping. Denn jede Nacht unter freiem Himmel gibt Punkte. Aber gefunden haben wir nichts. Erst hinter Ystad kam Gelegenheit nach Gelegenheit. Bei der zweiten schlugen wir zu und fuhren auf einen vermeintlichen Sandparkplatz.

Schnell das Zelt aufgebaut und ab ins Bett. So der Plan. Die Realität aber lautete: das Zelt stand vor der Tour erst einmal und wir waren weit entfernt vom Auswendig können. Und intuitiv war der Aufbau schon mal gar nicht. Trotzdem haben wir es geschafft. Nur die Heringe gingen sehr schwer rein. Sehr schwer ist die Untertreibung schlechthin. Um halb eins war es vollbracht. Das Zelt steht, Feierabend.

Am nächsten Morgen sahen wir dann den Grund für die schwergängige Montage. Der Sandparkplatz war nur oberflächig mit einer Hand breit Sand aufgeschüttet. Darunter befanden sich Teerreste vom Straßenbau. Man muss schon sehr motiviert sein, um Sandheringe in Asphalt zu kloppen…